Auch wenn viele Rechenzentrumsbetreiber – unter anderem als Reaktion auf Kundenanforderungen – seit Jahren punktuelle Greening-Initiativen ins Leben rufen, fehlt es nach wie vor an ganzheitlichen Konzepten und Strategien. Mit dem neuen, bereits vom Bundeskabinett durchgewunkenen Energieeffizienzgesetz, das erstmals einen klaren rechtlichen Rahmen setzt, kommt nun Bewegung in diese Angelegenheit.
Eine der im Gesetz enthaltenen Vorgaben betrifft explizit die Nutzung erneuerbarer Energien. Nach Paragraph 11 Absatz 8 sollen die Betreiber den Stromverbrauch in ihren Rechenzentren bilanziell ab dem 1. Januar 2024 zu 50 Prozent durch ungeförderten Strom aus erneuerbaren Energien decken, ab dem 1. Januar 2027 zu 100 Prozent. Seitens des ITK-Branchenverbands Bitkom hagelte es bereits bei Vorstellung des Gesetzesentwurfs massive Kritik. Über kurz oder lang werden Rechenzentrumsbetreiber jedoch gar nicht umhinkommen, sich mit dem Thema Vergrünung auseinanderzusetzen. Die zentralen Fragen sind dabei: Bis wann will ich grün sein? Zu welchem Anteil? Und in welcher Qualität? Die ersten beiden Antworten zu Mindestzielen sind spätestens mit der finalen Verabschiedung des Energieeffizienzgesetzes klar umrissen, wobei der erste Umsetzungstermin am 1. Januar 2024 bereits eine recht sportliche Herausforderung darstellt. Lösungswege gibt es etliche, aber sind diese auch tatsächlich auf lange Sicht sinnvoll? Die Spielwiese der Möglichkeiten ist groß. Sie beginnt bei physischen/technischen Optionen wie beispielsweise der Installation eigener PV-Anlagen oder dem Bau von Windrädern, reicht über Power Purchase Agreements – also meist langfristig angelegten Liefervereinbarungen mit einem Erneuerbare-Energien-Anlagenbetreiber – und hört beim Kauf von ebenso bilanziell aus spielbaren Herkunftsnachweisen noch lange nicht auf. Wichtig sind dabei die Rahmenbedingungen im individuellen Fall. Zum Beispiel unterstützt Enexion im Zuge energiewirtschaftlicher Fragestellungen und konkreter Greening-Projekte zahlreiche RZ-Betreiber, die sich durchaus voneinander unterscheiden – gleichgültig, ob im Hinblick auf Standort, Größe oder Geschäftsphilosophie. Die Enexion-Gruppe hat sich auf die anbieterunabhängige Optimierung der Energievollkosten für energieintensive Unternehmen spezialisiert. Gemeinsam ist den betreffenden Rechenzentren, dass sie zu den energieintensiven Unternehmen zählen. Die Spanne reicht von einem Stromjahresverbrauch von zehn bis hin zu 700 Gigawattstunden. Für alle ist das Thema Energiebeschaffung mit den damit einhergehenden Kosten also nicht zuletzt ein Wettbewerbsfaktor. Beim Blick auf die gesamte Rechenzentrumslandschaft in Deutschland und darüber hinaus drängt sich jedoch schnell der Eindruck auf, dass vielen Betreibern gar nicht bewusst ist, wieviel Optimierungs- und Einsparpotenziale in diesem Bereich lauern und welch hohen Gestaltungspielraum sie tatsächlich haben. In der Regel agieren viele klassisch versorgergebunden und sehen daher auch die „Vergrünungsanforderung“ beim Lieferanten aufgehoben. Diese kommen dem Aufruf „Liefere mir – gesetzeskonformen – grünen Strom“ gerne nach. Am Ende geht es jedoch vor allem um den Preis.
In einem Best-Practice-Ansatz geht der Suche nach der richtigen Vergrünungsstrategie die grundsätzliche Betrachtung des bestehenden Stromeinkaufs voraus. Die Integration in das Gesamtkonzept ist für den Erfolg entscheidend, zumal es zahlreiche Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zu berücksichtigen gilt. Natürlich müssen sich einzelne Initiativen rechnen – der Beschaffungspreis ist das eine, die Wirkung von Vergrünungsmaßnahmen auf das Image des Unternehmens vor dem Hintergrund der zunehmenden Forderungen nach Nachhaltigkeit eine ganz andere. In Anbetracht der Gesamtkomplexität zahlt es sich daher aus, die Unterstützung von Experten hinzuzuziehen, die über umfangreiche Erfahrung in genau diesen Themenfeldern verfügen. Denn es geht dabei nicht allein darum, die Optimierung der Energiebeschaffung im Allgemeinen voranzutreiben und geeignete Greening-Strategien auszuloten, sondern auch die Chancen im erweiterten Kontext von ESG-Anforderungen (Environmental Social Governance) zu verdeutlichen und auszuschöpfen. Fest steht: Für Rechenzentrumsbetreiber kann sich die dedizierte Auseinandersetzung mit diesen Themen in barer Münze niederschlagen. Im Raum stehen Millionenbeträge. Diese lassen sich einsparen, wenn beispielsweise Beschaffungsoptionen durchleuchtet und potenzielle Autarkiestrategien mit einem wirkungsvollen Risiko-Management ins Auge gefasst werden. Summen können aber genauso verbrannt werden, wenn ein Unternehmen auf das falsche Pferd setzt. Über allem schwebt stets das Damoklesschwert in Form des „Risk of Changing Law“. Die jüngste Vergangenheit hat eindrucksvoll gezeigt, wie dynamisch sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändern können. Die Strom- und Gaspreisbremse, der derzeit kontrovers debattierte Vorschlag zum Industriestrompreis, aber auch die von der Politik propagierte Abkehr von Pelletheizungen, die über Jahre hinweg als grünes, regeneratives Non-Plus-Ultra der Wärmeerzeugung galten, sind perfekte Beispiele – ebenso wie die Diskussion um Kernenergie im Rahmen des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Net-Zero Industry Acts (NZIA). Während Atomkraft in vielen Ländern zu den „sauberen“ Techniken zählt, erscheint dies in Deutschland ganz anders. Die Krux ist: Regierungen können in wenigen Jahren wechseln und Meinungen sich ändern. Eine Investition in konkrete Maßnahmen wie den Bau eines Windrads oder der Abschluss eines PPA wirkt deutlich länger nach. „Stranded Invests“ sind also durchaus eine begründete Sorge. Es gibt unglücklicherweise keine Kristallkugel, mit der sich klare Voraussagen treffen lassen. Umso mehr zählt bei der Suche nach Antworten auf die Frage, ob das, was ich heute als Rechenzentrumsbetreiber tue, künftig regulierungssicher ist, die Expertise langjähriger Energiemarktbegleiter. Dass die Vergrünung in Deutschland – gleichgültig welcher Art – aktuell mit hohen Kosten einhergeht, ist eine Tatsache. Diese müssen getragen werden, und selbst mögliche politische Interventionen wie beispielsweise eine Bezuschussung von Investitionen in PPA als Ansatz staatlicher Regulierung ziehen immer Finanzierungsfragen nach sich. Derzeitige Wettbewerbsnachteile treten darüber hinaus im Szenario von Herkunftsnachweisen und internationaler Vergleichsprodukte deutlich zutage. Die konsequente Betrachtung der Kosten-Nutzen-Relation jeder einzelnen Maßnahme ist essenziell. Am Fall Solarstromerzeugung – hier sei vorweggeschickt, dass die Installation einer PV-Anlage auf Seiten von Rechenzentrumsbetreibern erfahrungsgemäß kaum mehr als ein Placebo im Sinne des Gesamtverbrauchs darstellen kann – wird deutlich: Der Green Return on Invest ist nicht zuletzt vom Standort sowie den StakeholderAnforderungen abhängig. Die gute Nachricht für Rechenzentrumsbetreiber: Wer sich in der nötigen Detailtiefe auf entsprechende Analysen einlässt, kann am Ende nur gewinnen.
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